Mann für Mann
 
 
Als Paar entlarvt.
Junge Männer / Romantik
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Als wir Basti bei seiner Oma abholen wollten, da war der Kleine drüben im anderen Garten und saß auf der Schaukel. Die beiden Kinder freundeten sich gerade an. Wir wollten sie dabei nicht stören und gingen hinein. Der Fernseher lief. Mir genügte ein Blick auf das kleine Mädchen im Großformat auf dem Bildschirm, das auf dicken unbeholfenen Beinen durch das Gras stapfte und ihrer Mutter in die Arme lief. Veronika natürlich. Wer sonst.

 

Regina saß weinend auf dem Sofa und hatte ein Taschentuch, an das sie sich klammerte. Vor ihr auf dem Tisch lag eine leere DVD Hülle, beschriftet mit dem Titel "Vronis beste Momente". Die ersten Schritte hatten wir gesehen. Nach ein paar besonderen Augenblicken wie erster Urlaub oder Laternenfest im Kindergarten folgte der erste Schultag. Dasselbe kleine Mädchen war etwas größer geworden und strahlte mit einer Schultüte in den Armen in die Kamera. Regina schluchzte hörbar auf.

Nick gab mir Zeichen uns zurück zu ziehen. Die Momente tiefer Trauer gab es bei Regina schon seit dem Verlust und sie würden nie aufhören. Zwar waren sie seltener geworden aber man konnte da nichts machen. Sie brauchte es manchmal durch den Schmerz zu gehen, um sich zu erinnern. Ich hatte Regina oft als kontrollierenden und manipulierenden Drachen wahrgenommen. Die Mutter, die nicht aufhören konnte um ihre viel zu früh verstorbene Tochter zu weinen, war zutiefst menschlich. Sie zeigte sich von einer weichen und sehr verletzbaren Art. Und trotzdem akzeptierte sie Nick und mich. Für Basti.

Ich spürte wie der Damm aus Misstrauen und Vorbehalt brach und wie Regina in meinen Augen gewann. Die Frau war keineswegs schlecht. Ich mochte sie jetzt sogar richtig. "Wie geht's dir damit?" fragte ich Nick leise. "Es tut weh." bekannte er. "Wahrscheinlich wird es immer weh tun. Früher hätte ich mich dazu gesetzt und mit ihr geweint. Aber ich hab jetzt dich." Ich umarmte ihn. "Das hast du süß gesagt." Veronika. Möge diese arme Frau in Frieden ruhen. Ich hätte ihren grauenhaften Tod gern verhindert und ich hätte Nick gern den Schmerz genommen. Beides war nicht möglich.

Der Fernseher lief noch als wir einen flüchtigen Blick darauf warfen. Der Film war fortgeschritten und zeigte die Hochzeit. Ausgerechnet. Ich sah es Nick an, dass ihm gerade das Herz in kleine Scheiben geschnitten wurde, und führte ihn liebevoll aber sehr bestimmt hinaus. Wir verzogen uns leise in Nachbars Garten. Die beiden Kinder schaukelten gerade um die Wette. Der junge Inder stieß sie an. Basti wollte immer höher und immer schneller fliegen. Er jubelte. Kiran, obwohl körperlich weniger zart, war schüchterner. Am Ende war es aber doch Basti, der sein Asthma Gerät benötigte, um wieder Luft zu kriegen. "Was hast du denn?" fragte Kiran. "Bist du krank?"

Nick und ich erklärten es ihm. Der Junge nickte verständnisvoll. Deshalb war Basti auch immer so schnell müde und durfte nicht alles mitmachen was andere Kinder durften. "Kiran, ich hab dir gesagt, du sollst das für dich behalten." warnte der junge Inder. "Was denn?" erkundigte sich Nick. "Darf ich es jetzt erzählen, Papa?" "Was erzählen?" wollte Nick wissen. "Nun. Basti, vielleicht gehst du mit Kiran mit in die Küche. Mein Schatz gibt euch was zu trinken."

Der junge Mann stellte sich als Ravtan vor und erzählte ernst, dass es Gerüchte und Gerede unter den Kindern gäbe. Diese hielten Sebastian nämlich wegen seiner kränkelnden Erscheinung für einen Schwächling und hatten sich auf der Geburtstagsfeier zwar gern verköstigen und bespaßen lassen, aber sonst machten sie sich über ihn lustig. Sie spotteten hinter seinem Rücken. Kiran ging es genauso. Dank seiner zwei Väter.

"Das ist doch nicht wahr!" Nick war empört. "Ich werde mit deren Eltern reden." Ravtan gab ein dünnes Lächeln von sich. Er hatte das versucht aber es hatte keinen Zweck. Kinder konnten grausam sein und spiegelten eben auch das wieder was die Eltern ihnen vorlebten. Basti kam indessen arglos heraus gelaufen. Er hatte einen Apfelsaft bekommen. Hinter ihm tauchte der andere junge Mann auf, der Timon hieß. Die beiden waren ein Ehepaar, lebten zusammen und erzogen das Kind gemeinsam. Und Kiran wurde deshalb ausgegrenzt.

Das gab Nick sichtbar zu denken. Er war sehr still als wir zusammen im Auto saßen und mit seinem Sohn nach Hause fuhren. "Papa, warum hat Kiran zwei Papas?" durchbrach Basti die Stille. Dieses Kind! Es war altklug genug genau die richtigen Fragen zu stellen und zwar ganz genau im richtigen Moment. Jetzt konnte Nick sich nicht davon stehlen oder mit Ausreden flüchten. Er hatte keine andere Wahl als sich dem zu stellen und zwar noch bevor er zu lange darüber nachdenken konnte was ein Coming Out ihn privat kosten würde. Ich liebte den Kleinen dafür.

 

"Manchmal kommt es vor, dass Kinder zwei Mamis oder zwei Papas haben. Das ist ganz normal und nichts Schlimmes. Wichtig ist nur, dass man sich als Familie liebt und zu den Kindern steht." "Ich mag auch zwei Papas haben." Oh, ich hätte ihn küssen können, diesen kleinen Goldschatz! Egal ob sie ihn dafür hänselten oder nicht, er sehnte sich eben nach einer intakten Familie. Ein Elternteil konnte nicht alles kompensieren. Nick hatte es versucht und es sehr gut gemacht, aber der Verlust der Mama war allgegenwärtig. Es fehlte etwas. Da war eine Lücke und wer diese ausfüllen sollte hatte der Kleine uns gerade mitgeteilt. Ein Wink mit dem Zaunpfahl. Nun war ich auf Nicks Reaktion gespannt. "Wir werden sehen, mein Liebling." Er schaute mich einen innigen Moment lang an.

Es war nicht fair, dass der Kleine durch unsere Beziehung belastet werden könnte, als wenn sein übriges Schicksal nicht schon hart genug wäre. Nein. Es war sogar ausgesprochen unfair. Und es machte uns beide wütend, Nick und mich. So zart Basti auch war, er musste ja mit ihnen auskommen. Sie waren sein soziales Umfeld und das würde mit der Zeit nur immer wichtiger werden. Glücklicherweise war der Junge mental ziemlich robust. Ganz schön unbekümmert sogar. Unsere Aufgabe war es nun diesen Panzer zu stärken, um ihn gegen Spott und Hänseleien zu wappnen, die sicher kommen würden.

Oh, ich kannte diese kleinen Satansbraten. Mir brauchte keiner was zu erzählen und ich fühlte bereits einen Beschützerinstinkt wie ein Vater, denn ich würde mich vor Sebastian stellen und ihn nicht ins offene Messer laufen lassen so wie mein Vater damals mich. Er hatte es nicht böse gemeint. Das war eben so wenn der Sohn zum Mann werden sollte. Dann verkrüppelte man seine Gefühle und machte ihn hart. Und genau das hatte sich in den letzten Jahren gesellschaftlich geändert. Zum Glück!

Ich sah, dass es in Nick rumorte. Er war sauer weil sie sein Kind verspotteten und machte sich Sorgen wie unsere Beziehung sich auf Basti auswirken würde. Jetzt oder nie, dachte ich. Ich würde ihm zeigen wie sich eine alternative Familie anfühlen konnte. Nämlich genauso wie eine "normale" Familie. Ich fuhr nicht in die gewohnte Richtung und als er mich fragte, sagte ich ihm, dass ich ihm etwas zeigen wollte. Wenn wir nämlich jetzt ein festes Paar wären, dann wäre es an der Zeit, dass Basti seine anderen Großeltern kennenlernte.

Zum Glück waren Mama und Papa zu Hause. Sie waren ein bisschen überrumpelt aber als sie meinen neuen Partner und das Kind sahen, zerfloss meine Mutter vor Rührung. "Ja, wen bringst du uns denn da mit?" "Sebastian." verkündete Basti. "Was für eine Freude dich kennenzulernen, kleiner Schatz." Mama fraß ihn regelrecht mit den Blicken auf und fand alles an ihm entzückend. Einen Enkel hatte sie sich ja immer gewünscht und die Hoffnung noch nicht begraben. Auch für mich gab es in diesen modernen Zeiten Möglichkeiten.

Mein Vater war zurückhaltend aber auch er konnte sich dem Charme des Kleinen nicht erwehren, der ihn selbstbewusst Opa nannte und ihm artig die Hand gab. "Fester Händedruck." stellte Papa fest. Bei einem Buben gefiel ihm das sehr. Es zeugte von einem aufrechten und unerschrockenen Charakter. Basti war zart und schmächtig für sein Alter. Darüber sah mein Vater hinweg. Ein Enkel und sogar ein Junge. Welch unerwartete Freude!

Mama war gerade damit beschäftigt gewesen Kirschen zu pflücken. Sie hatte den Korb und die Leiter im Garten stehen. Die Früchte waren dunkelrot und glänzten in der Sonne. Sie hängte Basti ein paar davon auf die Ohren. Der Kleine strahlte. Dies war ein Obst, gegen das er zum Glück nicht allergisch war, und er durfte sich reichlich davon nehmen und in den Mund stecken. "Schluck aber keine Kerne, sonst wächst dir ein Kirschbaum im Magen." Schmunzelnd verdrehte ich die Augen über die Binsenweisheit, die mein Vater seit Jahrzehnten zum Besten gab.

Bastis Gesicht war mit rotem Saft verschmiert. Er spuckte die Kerne aus. Einmal richtig drauflos spucken dürfen ohne geschimpft zu werden, das war ein Spass. Die Begeisterung ging wie kleine elektrische Flammen auf uns alle über. Mein Vater hob den Buben auf die Schulter, damit er die Kirschen weiter oben erreichen konnte. Es war schwer zu sagen wer mehr strahlte. Der Kleine oder der Alte. Nicks Sorgenfalten hatten sich in ein gelöstes Lächeln verwandelt.

 

Mit Feuereifer half Basti meiner Mutter die Kirschen zu entkernen, damit ein Kuchen daraus werden konnte. Immer noch hatte er die fruchtigen Ohrringe im Gesicht hängen. Nick hatte sich von meinem Vater in ein Gespräch verwickeln lassen. Papa interessierte sich ganz besonders für den Gast. Es kam nicht oft vor, dass ich Männer mit brachte, und wenn, dann war es was Ernstes.

Mein Vater fragte und Nick antwortete. Papa wollte wissen wie sein Alltag war, was er arbeitete, wie er lebte und wofür er sich interessierte. Beim Thema Juist blühten beide auf. Meinem Vater hatte die Insel auch immer sehr gefallen. Auch er verknüpfte sie mit schönen Urlauben. Früher hatte er auch ein Segelboot besessen. Oh, das hatte ich fast vergessen, dachte ich. Dieses schnittige Boot, das wir auf Juist und am Irrsee mitgenommen hatten, gehörte in meine Kindheit. Leider hatte er es verkauft. Das tat ihm immer noch leid.

Nick konnte sich auch mit Leidenschaft über Segelboote unterhalten. Er war als Jugendlicher selber gern in Oberösterreich und Kroatien herum gedüst. Segeln auf Brettern und Booten, Jetski und Wasserski fahren. Ich lächelte. Da hatten sich zwei gefunden. Nick hatte es ja selbst gesagt. Das einzig Wichtige war, dass man sich als Familie liebte und zu den Kindern stand. Je größer diese Familie war und je offener der Umgang untereinander, desto größer war der Schutz gegen schädliche Einflüsse von außen.

Als Basti zu husten begann, da hatte meine Mutter gleich ein Hausmittel. Löwenzahnsirup. Sie hatte ihn selbst gepflückt und angesetzt. Er schmeckte süß und war genauso lecker wie Honig. Eine Medizin, die dem Kleinen schmeckte. Er nahm davon einen großen Löffel. Sobald das Fieber einsetzte, hatte meine Mutter bereits seine Socken in Essig getränkt und zog sie ihm an. So wie früher mir. Gegen die Atemnot setzte sie Eukalyptusblätter ein. Ließ ihn tief inhalieren.

An meiner Mutter war eine Kräuterhexe verloren gegangen. Ich hatte viel von ihr gelernt. Die Schulmedizin war nicht der Weisheit letzter Schluss. Es gab natürliche Methoden. Nicht zuletzt wusste ich dank ihr, dass Zwiebeln auf den Fußsohlen jedes Fieber senkten. Aber es reichte dennoch nicht. Der Anfall baute sich auf. Erst Husten. Dann Atemnot. Dann Schmerzen. Und noch mehr Husten.

"Dein Autoschlüssel, Schatz." Mama hatte es verstanden. Wir mussten ins Krankenhaus fahren. Es war alles in allem zu viel gewesen. Zu viele Menschen mit zu vielen Keimen und Bakterien, die in kurzer Zeit zu viel direkten Körperkontakt mit Sebastian gehabt hatten. "Meldet euch." bat mein Vater. Er sah besorgt aus und das hieß was bei ihm. Wenn er sich in so kurzer Zeit bereits emotional bewegen ließ, dann war Basti schon längst gefühlsmäßig sein Enkel.

Stunden später saßen Nick und ich im Spitalszimmer neben dem Kleinen. Wir hatten den Laptop zwischen uns und via Skype zeigte Bastis neue Oma den frischen Kirschkuchen, den sie gerade aus dem Ofen geholt hatte. "Der ist besonders toll geworden. Dank deiner Hilfe. Wie geht's dir, kleiner Schatz? Kein Lunge Aua mehr?" "Onkel Doktor macht Aua weg." gab Basti zurück. Er war noch ziemlich erschöpft und würde über Nacht zur Beobachtung da bleiben. Aber es ging ihm bereits etwas besser.

"Wir haben dich lieb, kleiner Mann, sei tapfer." "Bin ich immer." Nick grinste. "Ist er wirklich." "Viel Kraft auch dir." wünschte ihm meine Mutter. "Toi. Toi. Toi. Wir denken an euch." Mein Vater drückte die Daumen und reckte die Fäuste in Richtung Bildschirm. Nicks Augen wurden nass. Als der Kontakt abgebrochen wurde, meinte er, ich hätte wohl die nettesten Eltern der Welt. Ich lächelte ihn an. Er zog mich zu sich und gab mir einen Kuss auf die Lippen. Und das war der Moment wo eine Kollegin von mir ins Zimmer kam.

Sie sah uns, erkannte die Situation und ging rasch wieder hinaus. Ich lief ihr nach. "Was denkst du dir dabei?" fauchte sie mich an. "Das hätte ich dir nicht zugetraut. Ich hab mehr Verantwortung und Diskretion von dir erwartet." "Wir haben uns verliebt. Es ist einfach passiert." "Sowas passiert nicht einfach so! Du gefährdet das Leben und die Gesundheit des Kindes damit." "Ich hab ihm geholfen! Wenn er Anfälle hat, dann ist gleich ein Arzt anwesend." "Du bist aber nicht objektiv!" herrschte sie mich an. "Du liebst seinen Vater, du liebst ihn. Wenn er operiert werden muss, wenn er einen schweren lebensbedrohlichen Anfall hat, kannst du dich dann noch abgrenzen?"

Ich schwieg einen Moment zu lange. "Nein! Du bist ein Risikofaktor. Es gibt einen Grund wieso Familienangehörige nicht in manche Bereiche des Krankenhauses dürfen. Wir können keinen Arzt gebrauchen, der emotional wird und keinen kühlen Kopf mehr bewahren kann weil er das Kind zu sehr liebt! Kapierst du das?" Sie hatte mir den Kopf gewaschen. Ich wurde darüber nachdenken.

Verunsichert kehrte ich zu Nick zurück. Wenn sie jetzt los ging und mich verriet, dann könnte ich meinen Job verlieren. Als Arzt durfte ich mich mit meinen Patienten nicht einlassen und ich hatte bis jetzt gar nicht darüber nachgedacht, dass wir erwischt werden könnten. Basti war krank. Basti musste ins Spital. Nur das war in meinen Gedanken gewesen. Sonst nichts. Aber wir hatten uns verraten, Nick und ich, weil wir so offensichtlich als Paar zusammen aufgetaucht waren.

 

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